Trotz aller Kritik: Amazon bietet auch Chancen

Die Gewerkschaften haben Jeff Bezos schon im Mai dieses Jahres zum „schlimmsten Chef des Planeten“ ausgerufen. Er behandle seine Mitarbeiter wie Roboter, überwache sie gar mit GPS. Auch bei den Verlagen hat sich der Amazon-Chef nicht beliebt gemacht. Im Kampf um Rabatte und um Preissenkungen für eBooks hat er die gesamte Branche gegen sich aufgebracht. Die F.A.Z stellte vor wenigen Tagen sogar fest: „Überall kämpfen die Schriftsteller gegen die Markt- und Manipulationsmacht von Amazon.“ Zum Beweis verweist die F.A.Z auf die Unterschriftenkampagne der Autoren in den USA und in Deutschland, in der sich die Gruppe der etablierten Schriftsteller gegen die verzögerte Auslieferung einiger Bücher wehren.

Sicherlich haben die Kritiker recht mit vielem, was sie ansprechen und reklamieren. Doch gerade für junge Autoren bietet Amazon auch eine riesige Chance. Vor allem Newcomer haben die Möglichkeit, ihr Buch ganz ohne Verlag beim größten Buchhändler der Welt in die Regale zu stellen. Und Mr. Bezos ist sogar bereit, den Autoren 70 Prozent der Erlöse zu überlassen. Das sind Traumsummen, wenn man sie mit den acht bis zehn Prozent vergleicht, die Autoren bei klassischen Verlagen vom Verkaufspreis erhalten. Ohne Amazon wären tausende, ja, zehntausende Bücher nicht erschienen. Einige Autoren können mittlerweile sogar von ihren Verkaufserlösen leben.

Das ist auch der Traum vieler Autoren, die klassische Verlage mit ihren Werken versorgen. Denn während all die Manager, Vertriebler und Marketingspezialisten in den Verlagen sehr gut von den Büchern ihrer Autoren leben können, kann es doch nur eine Minderheit derjenigen, die die meiste Arbeit mit den Büchern haben: Die Autoren selbst.

Pro Buch nur ein besseres Monatsgehalt

So geht es auch mir. Ich schreibe Krimis und habe schon mehrere Bücher in traditionellen Verlagen veröffentlicht. Ich bin sogar sehr glücklich mit meinem kleinen aber exklusiven Verlag, der sich auf Krimis und Thriller spezialisiert hat. Dennoch verdiene ich pro Buch gerade einmal ein besseres Monatsgehalt. Und ich arbeite mitunter ein Jahr an einem Manuskript. Den Stundenlohn möchte ich mir gar nicht ausrechnen. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, mit der dunklen Seite der Macht zu paktieren. „Die Rückkehr des Sandmanns“, mein neues Buch, wird Ende September bei Amazon erscheinen. Und zunächst nur dort.

Das Buch hat 355 Seiten und für die digitale Variante veranschlage ich einen Preis von 2,99 Euro. Das hört sich wenig an? Dennoch verdiene ich mit einem Verkauf eines solchen Buchs mehr als mit dem Verkauf eines meiner Bücher, die im stationären Buchhandel für 12,90 Euro angeboten werden.

Es ist richtig: Ein Verlag hat auch Kosten. Er übernimmt die Produktion, das Lektorat und das Marketing. Das macht Jeff Bezos nicht. Er stellt lediglich das fertige Buch bei sich ins Schaufenster. Also müssen Selfpublisher erst einmal investieren. Ein Cover muss designt werden, ein Lektorat oder zumindest Korrektorat wird dem Buch sicherlich gut tun. Und auch das Marketing kostet Geld. Aber das tut es auch so. Denn die Verlage schalten nur für einen Bruchteil der von ihnen veröffentlichten Bücher Anzeigen. Für die Top-Seller. Sicherlich für die Bücher der Autoren, die jetzt ihre Unterschrift geleistet haben. Die meisten Autoren, die ich kenne, müssen zudem die Pressearbeit selbst übernehmen.

Für mein Cover habe ich über eine entsprechende Website einen internationalen Designwettbewerb ausgerufen. 30 Designer unter anderem aus den USA, Italien, Kroatien, Polen aber auch aus den Philippinen haben sich daran beteiligt. Es war ein spannender Prozess, den ich nicht missen möchte. Gewonnen hat zum Schluss ein Designer aus Serbien. Ich finde, das Cover ist nicht schlecht geworden für einen kleinen Selbstverleger. Das Korrektorat war nicht gerade preisgünstig, aber ich will ein fehlerfreies Produkt anbiete. Mein preisgünstiges Buch soll nicht billig sein.

Die Journalistin sagt: „Selfpublishing-Autoren besprechen wir grundsätzlich nicht“

Bei der Pressearbeit hatte ich schon Übung durch die Vermarktung meiner Verlagsbücher. Das würde das Leichteste sein, dachte ich, immerhin bin ich selbst Journalist. Doch viele (nicht alle!) Kollegen winken sofort ab, wenn sie hören, dass ein Buch ohne den amtlichen Stempel eines klassischen Verlags daher kommt. „Selfpublishing-Autoren besprechen wir grundsätzlich nicht“, klingt mir noch der schrille Ton einer Kulturjournalistin im Ohr. „Aber es ist doch nichts Neues, wenn ein Autor nach dem zweiten Buch auch sein drittes in einem Verlag veröffentlicht“, argumentiere ich. „Es ist etwas Neues, wenn ein Schriftsteller sagt, ich nehme die Sache jetzt einmal selbst in die Hand und veröffentliche auf eigene Faust.“

Als Journalist habe ich schließlich selbst einmal gelernt: Nur das Neue kommt ins Blatt. Das ist die Idee der Nachricht: Die Neuigkeit.

„Wir machen das auch deshalb nicht, weil dieses Selfpublishing ja Ausbeutung der Autoren ist“, sagt die Kulturjournalistin. Ich bin erst einmal sprachlos und fühle mich wie ein bettelndes Kind, dem man deshalb nichts gibt, weil es ja sonst nicht zur Schule geht. Gerne hätte ich meine Rechnung von oben erklärt, die 2,99 Euro angesprochen und aufgezeigt, wie wenig Geld im traditionellen Verlagsgeschäft beim Autor bleibt. Amazon beutet Autoren eben nicht aus, es hilft vielen und überweist ihnen, wenn es gut läuft, ein höheres Honorar, als ein Verlag. Viele Selfpublisher haben schon Angebote von den traditionellen Häusern erhalten und abgewunken. Sie brauchen das Geld.

Doch ich merke, die Journalistin hat ihre vorgefasste Meinung und die ist unverrückbar. Sie hat so viele Artikel von Kollegen gelesen, soviel Amazon-Bashing konsumiert, dass jedes Argument zwecklos ist. Sie ist Teil der geschlossenen Gesellschaft, welche die Verlage in den vergangen Jahrzehnten um sich aufgebaut haben. Sicherlich will sie sich auf den Verlagspartys nicht die Frage gefallen lassen: „Was? Sie besprechen die Bücher dieser Billigschreiber bei sich im Blatt?“

Ich finde nicht alles gut, was Jeff Bezos macht, aber es ist gut, dass er Strukturen aufbricht. Gut für die kulturelle Vielfalt, für viele junge Schriftsteller, für mich als „Hybrid“-Autor und auch und vor allem für diejenigen, die von den geringen Preisen – für die Leser.   

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